Neuberin und Blankenburg
Blankenburgs Theatergeschichte begann mit Herzog Ludwig Rudolph, der die welfische Tradition seines Vaters Anton Ulrich von Braunschweig-
Wolfenbüttel fortsetze. Bis 1740 gab es in der Blankenburger Residenz auf dem Schloss ein kleines Schauspielhaus, das Komödienhaus auf der
Südseite des Schlosses, erbaut nach dem Vorbild des väterlichen Hofes zu Wolfenbüttel.
Im Herbst 1717 berief Herzog Ludwig Rudolph die Spiegelbergsche Komödiantentruppe nach Blankenburg, wo sie zur Feier des Namenstages der
deutschen Kaiserin, seiner ältesten Tochter, im neu erbauten Komödienhaus Festvorstellungen geben sollte. Und hier ist Friederike Caroline am
22. November erstmalig auf die Bühne getreten mit so großem Erfolg, der über ihre gesamte weitere Laufbahn entscheiden sollte.
Zusammen mit Johann Neuber war sie 1716 dem Elternhaus entflohen und dieser Truppe im Sommer des gleichen Jahres erst beigetreten. Ihr
Schauspieltalent sowie ihre Wünsche nach Verbesserung der Theaterkunst wurden vom kunstfreudigen Herzog sofort erkannt. Die Spiegelbergs
gastierten über Winter 1717/1718 für mehrere Monate im Schloß, bis sie zur Wintermesse nach Braunschweig aufbrachen. Hier verfügte Ludwig
Rudolph die Trauung von Friederike Caroline und Johann Neuber am 5. Februar 1718 in der Domkirche St. Blasii, stattgefunden mit „hoher
Genehmhaltung“ in Gegenwart des gesamten Hofstaates. Eine außergewöhnliche Angelegenheit, zumal Komödianten von Seiten der Kirche dazu
eigentlich nicht würdig waren.Aber die Eheschließung war eine wichtige Voraussetzung für Friederike als Frau, um in der Gesellschaft überhaupt
auftreten zu können.
In der Zeit von 1718-1726 blieb die Neuberin mit Herzog Ludwig Rudolf in Verbindung, auch wenn sie zwischenzeitlich zur Haakschen Truppe
wechselte. 1727 war sie dann erstmalig als Prinzipalin mit ihrer eigenen Gesellschaft wieder in Blankenburg. Der Herzog überließ ihr vier
französische Stücke in den alten Wolfenbütteler Übersetzungen, die sie umgehend spielen konnte;gehörte er doch zu den Prinzen, die an den
Wolfenbütteler Aufführungen selbst beteiligt waren und den Reformwillen der Neuberin unbedingt unterstützen wollte. Er blieb auch ihr großer
Gönner. Er dürfte auch der einzige Fürst gewesen sein, der selbst eine Komödie aufgezeichnet hat. Frei von Kassensorgen spielte Caroline nun
neu einstudiert die Wolfenbütteler Stücke vor dem Blankenburger Hofe.
Das ist die eigentliche Geburtsstunde der deutschen Theaterreform!
Und zur Ostermesse 1728 brach sie mit ihrer Truppe auf nach Leipzig, um hier zum ersten Male einem städtischen Publikum mit Bürgern,
Kaufleuten und Gelehrten die gewissenhaft einstudierten klassischen Schauspiele vorzuführen.
Leipzig wurde für die Neuberin zwar der wichtigste Spielort, die Geburtsstätte war jedoch Blankenburg; Leipzig allenfalls deren Wiege.
Hier kam es dann auch zur fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Leipziger Gelehrten Gottsched, der ihr eigene Stücke und Übersetzungen
anbot.
Bis 1733 gastierte die Neubersche Truppe regelmäßig in Blankenburg. Der Herzog gewährte ihr Winterquartier und die Nutzung seiner
Fürstenbibliothek. Friederike übersetzte nun selbst Dramen aus dem Französischen in die deutsche Sprache und begann eigene Stücke und
Vorspiele zu schreiben.
Nach der Thronbesteigung Ludwig Rudolphs 1731 wurde der Neuberschen Truppe das Hochfürstliche Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttelsche
Privileg erteilt und der Herzog öffnete der Neuberin sogar das große Opernhaus am Hagemarkt in Braunschweig. Bis zu seinem Tode 1735 blieb
er ihr großer Förderer und Unterstützer der Bestrebungen. Aber mit dem Tode Ludwig Rudolphs zerrissen die Fäden, die die Neubers mit
Blankenburg und Braunschweig verbanden.
Ihr weiterer Werdegang war im Kampf gegen die billige Unterhaltung mit oft obszönen Improvisationsspielen von Höhen und Tiefen begleitet,
aber ihre
Truppe gehörte zu den erfolgreichsten ihrer Zeit, die sich auf einer steten Gradwanderung zwischen Staatsaktionen am Hof und der Liebe der
Massen für deftige Kost bewegte. Sie verbannte den Harlekin und die Hanswurstiaden von der Bühne, trennte sich vom Stückeschreiber
Gottsched und interessierte sich fortan für den jungen Lessing.
Als Komödiantin zerbrach sie letztlich am Unverständnis ihrer Zeit.
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